Patient:innen in Advisory Boards: Mehrwert für die Pharmaindustrie

Die Perspektive von Patient:innen in Advisory Boards einzubinden hat enormes Potenzial auf dem Weg zu Therapien mit hoher Akzeptanz.


Patient:innen in Advisory Boards: Mehrwert für die Pharmaindustrie

Die Beteiligung von Patient:innen an Advisory Boards gewinnt für die Pharmaindustrie zunehmend an Bedeutung. Längst geht es nicht mehr ausschließlich um die Sicht von Ärzt:innen und medizinischen Expert:innen. Neben Ökonomen, Sozialarbeiter:innen, KI-Expert:innen und manchmal sogar Influencern bringen vor allem Patient:innen einzigartige und extrem wichtige Perspektiven ein, die entscheidend zur Entwicklung, Kommunikation und Akzeptanz neuer Therapien beitragen können. Gerade im Kontext personalisierter Medizin, komplexer Therapieentscheidungen und wachsender Anforderungen an die Patientenzentrierung wird deutlich: Die Einbindung der Betroffenen selbst ist nicht nur sinnvoll, sondern notwendig.

Warum Patient:innen in Advisory Boards einbinden?

Die Patient:innen sind die einzigen, die aus erster Hand wissen, wie es ist, mit der Erkrankung zu leben, wie sich Symptome anfühlen, welche Herausforderungen der Alltag mit sich bringt, welche Applikationsform bzw. welches Therapieregime sich am einfachsten integrieren lässt und welche Nebenwirkungen besonders belastend sind. Diese Erfahrungswerte sind für forschende Pharmaunternehmen von unschätzbarem Wert. Zu den wichtigsten Aspekten im Produkt-Lifecycle, bei denen Patient:innen in Advisory Boards eingebunden werden sollten, gehören u.a.:

  • Bedürfnisorientierte Entwicklung: Patient:innen können helfen, Therapieziele realitätsnah zu definieren. Was ist für sie im Alltag wichtig? Welche Aspekte beeinflussen die Lebensqualität am meisten? So können Medikamente nicht nur effektiver, sondern auch praktikabler gestaltet werden.
  • Optimierung von Studien-Designs: Durch das Feedback von Betroffenen lassen sich Protokolle patientenfreundlicher gestalten – etwa in Bezug auf die Anzahl von Visiten, invasive Eingriffe oder die Art der Datenerhebung. Auch Aspekte wie Anfahrtswege, Zeitaufwand und digitale Hilfsmittel spielen eine Rolle und können durch das Einbinden von Patient:innen in Advisory Boards optimiert werden.
  • Verständlichere Kommunikation: Rückmeldungen von Patient:innen unterstützen die Entwicklung klarer, patientengerechter Materialien für Aufklärung und Therapiebegleitung. Dies betrifft sowohl klinische Studien als auch die Kommunikation zu bereits zugelassenen Produkten.

Ein ganz wesentlicher Punkt ist die Anerkennung und Wertschätzung der Patientenperspektive. Nicht nur, weil die Akzeptanz von Therapien steigt, wenn Patient:innen das Gefühl haben, dass ihre Bedürfnisse ernst genommen werden. Sondern vor allem, weil diese Perspektive oft eine enorme Verbesserung der Therapie mit sich bringt. So nehmen Patient:innen z. B. eine geringere Wirksamkeit oft gerne in Kauf, wenn dadurch stark belastende Nebenwirkungen reduziert werden.

Advisory Board-Formate: Exklusiv mit Patient:innen oder gemischt mit Expert:innen

Advisory Boards mit Patient:innen können in verschiedenen Konstellationen gedacht und organisiert werden, die jeweils unterschiedliche Schwerpunkte bzw. Zielsetzungen verfolgen.

Patient:innen-exklusive Ad Bos: Hier steht der Erfahrungsaustausch unter Betroffenen im Vordergrund. Moderator:innen führen durch strukturierte Diskussionen, ohne dass „medizinische Autoritäten“ möglicherweise die Offenheit hemmen. Denn in der Praxis zeigt sich, dass Patient:innen sich leider oft nicht trauen, bestimmte Probleme anzusprechen – insbesondere bei chronischen Erkrankungen werden Patient:innen oftmals nicht so ernst genommen, wie sie es selbst gerne hätten. Nebenwirkungen oder Unannehmlichkeiten werden als psychosomatische oder unvermeidliche Begleiterscheinungen abgetan. Ein reines Patient:innen Advisory Boards verspricht daher eine höhere Unbefangenheit und einen offeneren Austausch auf Augenhöhe. Ein nicht zu unterschätzender Aspekt von solchen Advisory Boards ist übrigens, dass es den Patient:innen guttut, gehört zu werden und gleichzeitig in den Austausch mit anderen Betroffenen zu kommen, die ein ähnliches Schicksal teilen. Das hilft dabei, mit der eigenen Situation besser umgehen zu können und sorgt für eine mentale Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung.
Solche Formate eignen sich besonders für die frühe Phase der Ideenfindung, für qualitative Einsichten oder zur Reflexion von Materialien und Strategien.

Interprofessionelle Advisory Boards: Eine Kombination aus Patient:innen, Ärzt:innen und weiteren Gesundheitsberufen (z. B. Pflege, Psychologie, Sozialarbeit) ermöglicht ein umfassendes Bild. Diese Vielfalt fördert ein tieferes Verständnis für medizinische, psychologische und soziale Dimensionen einer Therapie. Und ganz häufig sind bei solchen Formaten Ärzte und Ärztinnen dann sogar überrascht, wie sehr doch beispielsweise vermeintlich „leichtere“ Nebenwirkungen das Leben von Betroffenen im Alltag wirklich beeinträchtigen, was dann oft zu einer echten Spektrumserweiterung der Behandler:innen führt.
Besonders in der Diskussion von Versorgungspfaden, Therapiewahl oder Shared Decision Making sind solche Boards sehr hilfreich.

Herausforderungen und Erfolgsfaktoren für Advisory Boards mit Patient:innen

Damit diese Formate gelingen, braucht es eine professionelle Vorbereitung und klare Rahmenbedingungen:

  • Sorgfältige Auswahl und Vorbereitung: Patient:innen sollten nicht nur „betroffen“ sein, sondern auch die Möglichkeit bekommen, in dem Advisory Boards reflektiert und frei über ihre Erfahrungen sprechen zu können. Schulungen oder Briefings im Vorfeld können helfen, Rollen zu klären und das Selbstvertrauen zu stärken.
  • Das Bedürfnis von Patient:innen, sich zu Ihrer Situation auszutauschen ist vielfach sehr hoch. Somit sollte besonders viel Zeit für die Beantwortung von Fragen eingeplant werden. Denn hier geht es dann nicht ausschließlich um wissenschaftliche Fakten, sondern auch um Emotionen und Geschichten. Und die möchten alle gleichermaßen teilen, so dass bei der Beantwortung von jeder einzelnen Frage beachtet werden sollte, dass immer alle Beteiligten auch eine Antwort geben wollen und auch sollten.
  • Transparente Ziele und Rahmenbedingungen: Was ist das Ziel des Ad Bos? Wie wird mit den Ergebnissen umgegangen? Welche Rolle spielt die Meinung der Patient:innen tatsächlich im Entscheidungsprozess? Solche Fragen sollten vorab klar beantwortet werden.
  • Professionelle Moderation: Die Diskussion sollte so geleitet werden, dass alle Stimmen Gehör finden, Hierarchien keine dominante Rolle spielen und eine offene, respektvolle Atmosphäre herrscht.
  • Echte Wertschätzung und Umsetzung: Nur wenn das Feedback der Patient:innen in einem Advisory Boards ernst genommen und in Entscheidungen überführt wird, ist der Nutzen nachhaltig. Ein Follow-up mit Einblick in die Umsetzung der Impulse zeigt, dass der Beitrag Wirkung hat.
  • Compliance und Ethik: Die Zusammenarbeit mit Patient:innen erfordert auch klare Regeln zu Datenschutz und Transparenz. Hier sind etablierte Standards und ethische Leitlinien einzuhalten.
  • Regulatorische Rahmenbedingungen beachten: Der direkte Austausch von Pharmaunternehmen mit Patient:innen unterliegt in vielen Ländern strengen gesetzlichen Vorgaben. In Deutschland beispielsweise dürfen nur speziell autorisierte Mitarbeitende mit Patient:innen kommunizieren (gebräuchliche Bezeichnungen für diese Positionen sind z. B. Patient Relations Manager, Patient Engagement Manager oder Patient Advocacy Manager). Für alle anderen Mitarbeitenden ist dies aus gutem Grund untersagt – etwa um eine unzulässige Beeinflussung von medizinischen Laien zu vermeiden. Diese Regeln sind wichtig und richtig. Unter Einhaltung der regulatorischen Rahmenbedingungen und im passenden Veranstaltungssetting ist es jedoch möglich und sinnvoll, Patient:innen eine Stimme zu geben und ihre Perspektive strukturiert in die Entwicklung von Therapien und Services einzubringen.

Beispiele aus der Praxis

In der Onkologie, bei seltenen Erkrankungen oder chronisch-entzündlichen Krankheitsbildern gibt es bereits zahlreiche erfolgreiche Beispiele für Patient:innen-Advisory-Boards. Sie helfen dabei, besser zu verstehen, was „wirklich zählt“: etwa, ob ein Medikament trotz starker Wirkung akzeptiert wird, wenn es erhebliche Einschränkungen im Alltag bedeutet. Oder wie digitale Begleitangebote gestaltet sein müssen, um tatsächlich genutzt zu werden.

Fazit

Patient:innen als Mitglieder von Advisory Boards zu beteiligen, ist kein symbolischer Akt, sondern eine Investition in qualitativ bessere, akzeptierte und alltagsnahe Therapien. Die Pharmaindustrie profitiert nicht nur durch neue Perspektiven, sondern auch durch ein glaubwürdigeres Engagement für eine Patientenzentrierung in der Medizin. Die Zukunft gehört multiperspektivischen, interprofessionellen Formaten – inkl. Patient:innen. Für einen Austausch aller Perspektiven auf Augenhöhe. Wer heute den Mut hat, echte Beteiligung zu ermöglichen, wird morgen durch bessere Produkte und ein stärkeres Vertrauen der Zielgruppen belohnt.

Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten oder Interesse an der Ausrichtung eines Advisory Boards mit Patient:innen haben, dann melden Sie sich bei uns. Wir beraten Sie gerne und schauen mit Ihnen gemeinsam, welches Potenzial in Ihrem konkreten Fall steckt.

(Foto © Adobe Stock | #119528381, mg photo)





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